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Vom “Krieg der niedrigen Intensität” und anderen Lügen

Der Krieg in Rojava ist seit der Besetzung von Girê Spî und Serêkaniyê 2019 nahezu vollständig von der Bildfläche verschwunden, die breite Solidaritätsbewegung die während der Schlacht um Kobane noch zu hunderttausenden auf der Straße war existiert nicht mehr. Die Schwärme an Journalist:innen und Reporter:innen sind längst weitergezogen und selbst die großflächigen Drohnen Kampagnen der türkischen Armee sind nicht mehr als ein, zwei Randnotizen wert. Diesen nahezu vollständigen Mangel an Aufmerksamkeit nutzt der türkische Staat schamlos aus und arbeitet weiter Tag für Tag an seinem großen Ziel: der vollständigen und endgültigen Zerschlagung der Selbstverwaltung. Wenn wir hier in Europa eine angemessene Antwort auf diese Pläne finden wollen müssen wir als erstes mit einigen weit verbreiteten Narrativen brechen die die Situation in Nord- und Ostsyrien bis zur unkenntlichkeit verzerren, allen voran den Mythos der „Kriegsführung der niedrigen Intensität“

Wenn deutsche Medien ausnahmsweise einmal über Rojava berichten, wird der türkische Feldzug gegen die Selbstverwaltung stets als “Krieg niederer Intensität” bezeichnet. Also als ein Krieg, der eigentlich gar keiner ist. Die Grenze zwischen einem “Krieg niederer Intensität” und einem “richtigen Krieg” scheint hierbei der Einsatz von Bodentruppen zu sein. So wurde die Besatzung Afrins noch als echter Krieg gesehen, die Luftoffensiven 2022 und 2023 hingegen nicht. Auch die Überreste der Solidaritätsbewegung hier in Deutschland haben diese Denkweise zu großen Teilen übernommen so wird der berüchtigte “Tag X” auf den man mit einer riesigen Aktionswelle und Großdemonstrationen antworten will ebenfalls mit dem Beginn einer erneuten Bodenoffensive gleichgesetzt. Diese Denkweise geht allerdings vollständig an der Realität Rojavas vorbei und ignoriert die Strategie, die der türkische Staat mit seinen Drohnenangriffen verfolgt. 

Allein seit November 2022 gab es neben den ununterbrochen wöchentlich stattfindenden kleineren Dronenschlägen 4 große Angriffswellen in denen Nord- und Ostsyrien mit unzähligen Artillerie Granaten, hunderten schwer bewaffneten drohnen und dutzenden Kampfjets angegriffen wurde.  Wer diese Angriffe als “Angriffe auf Kurdische Milizen” bezeichnet, wie es z.B die Tagesschau gerne zu tun pflegt, hat den Bezug zur Realität vollständig verloren, wie könnte irgendjemand mit auch nur einem Funken an Sachverständnis ernsthaft behaupten die Türkei würde hier gezielt kurdische Kämpfer:innen angreifen während bei aberhunderten an Luftschlägen nur eine Hand von Revolutionär:innen ermordet dafür aber rein zufällig alle Wasser und Elektrizitätswerke der Region dem Erdboden gleichgemacht werden. Erdogan hat längst aufgegeben, seine Intentionen zu verstecken und versucht nicht einmal mehr so zu tun, als würde es ihm bei seinen Angriffen um militärische Strukturen der YPG gehen. Das erklärte Ziel ist es, die Infrastruktur der Selbstverwaltung zu vernichten, ihr die Möglichkeit zu nehmen, Wasser zu fördern und Strom sowie Brot zu produzieren und so die Bevölkerung aus schierer Not und der unmittelbaren Bedrohung des Hungertodes zur Flucht zu zwingen. 

Diese Strategie ist besonders bedrohlich, wenn man sie vor dem Hintergrund des Embargos und des Wasserkrieges betrachtet. Das von der Türkei und der KDP, ihres Vasallen in Südkurdistan (Nordirak), durchgesetzte Embargo macht es extrem schwierig Ersatzteile für die zerstörten Werke und Maschinen aufzutreiben. Die Wenigen Teilen die durch Schmuggel ihren Weg nach Rojava finden können der massiven Zerstörung nichts entgegensetzen, ein Elektrizitätswerk das kaputt ist, bleibt also auch erst einmal für eine sehr lange Zeit kaputt und kann schlicht und ergreifend nicht repariert werden. Durch Staudämme verhindert der türkische Staat zudem, dass genügend Trinkwasser nach Rojava gelangt. Für die Landwirtschaft reicht es oft nicht mehr aus und durch den historisch niedrigen Pegelstand ist das Wasser des Euphrat und Tigris oft schlammig und nicht zum trinken geeignet. 

Vor dieser Kulisse von einem “Krieg niederer Intensität” zu sprechen, nur weil noch keine Leopard-Panzer durch Derik und Kobane rollen, ist schlicht absurd. Was sich hier abspielt, kann nur als Vernichtungskrieg bezeichnet werden: denn die gesamte Lebensgrundlage der Revolution soll auf diese Weise zerstört und das kurdische Volk sowie seine Freunde getötet und vertrieben werden. Tag X ist kein mysteriöser Tag in ferner Zukunft, sondern Heute, Gestern und Morgen!

Unsere Aufgabe als fortschrittliche Kräfte in Europa ist es, nicht länger zu warten, sondern sofort mit aller Entschlossenheit gegen die türkischen hegemonialen Fantasien vorzugehen. Die Zeit zum Aufbau einer Großen Solidaritätsbewegung mit Rojava ist jetzt! 

Es lebe der Widerstand der freien Völker Rojavas!

Hoch die internationale Solidarität!